Westworld (S3E1)

Eigentlich schreibe ich keine Episoden-Reviews. Ich will eine Staffel komplett auf mich wirken lassen, um mir ein Urteil bilden zu können. Doch ab und zu ist eine Episode so gut, dass ich quasi gezwungen werde. Der Auftakt der dritten Staffel von Westworld ist so eine Episode. Die ersten beiden Staffel spielten noch im Western-Vergnügungspark, in dem reiche Menschen ihre Gewaltgelüste an Robotern, genannt Hosts, ausleben konnten. War die erste Staffel noch sehr gelungen, lahmte Staffel 2 stellenweise gewaltig, trat auf der Stelle und versuchte den Zuschauer auszutricksen. Am Ende konnte man froh sein, dass es rausging in die echte Welt.

Und die sieht fantastisch aus. Von den Charekteren stehen im Staffelauftakt Dolores (Evan Rachel Wood) und Neuling Caleb (Aaron Paul) im Mittelpunkt. Doch der wahre Hauptdarsteller ist diese futuristische Welt. Dass hier offensichtlich Blade Runner bzw. Blade Runner 2049 Vorbilder waren, ist nicht von der Hand zu weisen. Nicht nur die Stadt ist die gleiche (Los Angeles), es gibt sogar eine Szene, ein Schwenk über die Skyline, in der die Leuchtreklame eines Cola-Herstellers zu sehen ist. Dass die meisten Szenen bei Nacht spielen, menschenähnliche Roboter herumlaufen (hier die Hosts, da die Replikanten) und es futuristische Fahrzeuge gibt, sind weitere Anlehnungen an Ridley Scott und Denis Villeneuve. Fehlt nur noch, dass plötzlich Origami-Figuren auftauchen und es permanent regnet.

AB HIER GIBT ES ÜBRIGENS EINE SPOILERWARNUNG! ICH WERDE NICHT UMHIN KOMMEN, ÜBER DEN INHALT ZU SCHREIBEN, BESONDERS ÜBER DIE POST-CREDITS-SZENE!

Doch zurück zu den menschlichen Hauptfiguren – oder denen, die so aussehen wie Menschen. Die größte Entwicklung in der Serie hat mit Sicherheit Dolores Abernathy gemacht. Der Opferrolle aus Staffel 1 ist sie längst entwachsen. Die naive Schönheit, in deren strahlend blaue Augen der Zuschauer gefühlt in fast jeder Episode zum Auftakt schauen durfte, ist in Staffel 2 zur kaltblütigen Killerin mutiert, die alles dafür tut, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und sich zu rächen. In Staffel 3 hat sich Dolores angepasst, ist den Cowgirl-Klamotten entstiegen und trägt jede edle Kleider und die Haare zurückgegelt. Eine kühle Schönheit, hinter der Fassade aber schlummert immer noch die Killerin aus Staffel 2, wie sie in Episode 1 dann auch mal beweisen darf.

Hauptfigur zwei in dieser Episode ist der Ex-Soldat Caleb Nichols. Am Tag verdingt er sich als Bauarbeiter. Hier spielt Regisseur Jonathan Nolan mit dem bekannten Bild der Bauarbeiter, die auf einem Strahlträger eines noch nicht fertigen Hochhauses ihre Frühstückspause einlegen. Caleb ist aber niemand, der Hochhäuser baut, sondern Datenkabel verlegt – gemeinsam mit einem Roboterkollegen. Die beiden machen ihre Pause dann ebenfalls auf einem Stahlträger – ein tolles Bild. Nacht ist Caleb aber Kurier für Gangster. Beide Jobs sagen ihm nicht wirklich zu. Am Ende der Episode, so viel sei verraten, trifft er auf Dolores – wieder in einer ästhetisch besonders eindrucksvollen Szene. Die verletzte Dolores steht unter einer Brücke, wie ein Scherenschnitt, das Licht wirft einen Schatten an die Wand – das ist traumhaft! Ich kann mich täuschen, aber in der Blade-Runner-Welt würde er den Colonel Deckard geben.

Caleb Nichols (Aaron Paul) mit seinem Roboterkollegen bei der Frühstückspause. (Copyright: IMDB)

Und sonst? Bernard Lowe (Jeffrey Wright) ist auf der Suche nach jemandem und schreckt dabei auch nicht vor Mord zurück. Er hat einen kleinen Schalter dabei, mit dem er sich in einer Art Rage-Modus versetzen kann (und lustigerweise dabei noch so klar ist, dass er den Modus wieder deaktivieren kann). Er ist nun in Asien, auf dem Weg zu einer Insel. Der Mann in Schwarz (Ed Harris) spielt in diesem Auftakt keine Rolle. Charlotte Hale (Tessa Thompson) auch nur eine kleine. Sie ist bei einem Vorstandstreffen dabei. Allerdings ist Charlotte Hale von Dolores in Staffel 2 getötet worden. Die neue Charlotte ist eigentlich Dolores im nachgebauten Körper der Delos-Chefin. Es gibt also, wenn man so will, zwei Dolores-Versionen in der neuen Welt.

Und Maeve Millay (Thandie Newton)? Die gute Seele, die eigentlich nur ihre Tochter retten wollte? Taucht tatsächlich erst nach dem Abspann auf – in einer Szene, die für den größten What-the-Fuck-Moment sorgt. Der Stil ihres weinroten Kleides wirkt älter. Und als sie auf den Balkon ihres Zimmers tritt, blickt sie auf Soldaten der Nazis, große Hakenkreuz-Flaggen hängen an den Gebäuden. Was ist hier los? Spekulationen gibt es viele. Ist Maeve in einem anderen „Vergnügungspark“ gelandet, einer von Nazis beherrschten Welt? Oder, ganz abstrus, ist die Welt in der Zukunft nur ein Vergnügungspark? Wir werden sehen.

Was mich besonders interessiert: Werden die Figuren im Laufe der Staffel aufeinandertreffen? Wie wird das Duelle zwischen Bernard und Dolores (und Charlotte-Dolores) ausgehen? Welche Rolle spielt der Man in Black? Und was zur Hölle haben Nazis in der Serie verloren? Ich bin gespannt.

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