Little Women

Es gibt Szenen, da merkt man schon beim Schauen: Hier sind wahre Meister ihres Könnens am Werk. Zuletzt war mir das zweimal bei Serien aufgefallen: einmal bei „Mr. Robot“, als Rami Malek und Elliot Villar ihre große Konfrontation in der vierten Staffel haben, das andere mal bei „Big Little Lies“, als Nicole Kidman und Meryl Streep sich im Finale der zweiten Staffel im Gerichtssaal bekriegen. Streep spielt auch in „Little Women“ mit, ist diesmal aber nicht gemeint, im Gegensatz zur ihrer „Big Little Lies“-Kollegin Laura Dern, die kurz vor dem Ende von „Little Women“ die vermutlich alles entscheidende Unterhaltung mit Saiorse Ronan führt, in der es um den Kern der Liebe geht.

Es ist eine Szene, in der aber auch, wie im gesamten Film, klar wird: Ronan spielt all ihre Mitspieler an die Wand, egal um wen es sich handelt. Besonders im direkten Vergleich mit Emma Watson fällt das auf: Der Harry-Potter-Star wirkt in seiner Rolle als Meg March seltsam blass, ja beinahe emotionslos.

Liebe oder Freundschaft?: Jo (Saiorse Ronan) mit Laurie (Timothée Chalamet) Foto: Sony Pictures

Independent-Ikone Greta Gerwig adaptierte Louisa May Alcotts Roman zum siebten Mal für eine Verfilmung (wenn man Wikipedia Glauben schenken mag) und ihr ist ein kleines Meisterwerk gelungen. Der Film nimmt selbst Kostümfilm-Schwertuer wie mich von Anfang an mit, ist über die Distanz von über zwei Stunden stets leicht, selbst in traurigen Momenten, und zeigt vor allen Dingen eines: Frauen sollen das tun, wonach ihnen der Kopf steht und sich nicht in Rollenbilder pressen lassen, auch wenn das von ihnen verlangt wird.

Das gilt besonders für Jo, die Schriftstellerin des Romans „Little Women“ ist und damit das Alter Ego von Louisa May Alcott. Saiorse Ronan verkörpert das burschikose Mädchen respektive die junge Frau famos. Die älteste der vier Schwestern ist Meg, die so gerne Schauspielerin werden will, sich dann aber doch für die Liebe, die Mutterrolle und auch die finanziellen Nöte entscheidet – und zwar aus freien Stücken, obwohl Jo das zunächst nicht verstehen will.

Klischeehaft scheint zunächst Nesthäkchen Amy (Florence Pugh) angelegt, die immer im Schatten ihrer älteren Schwestern steht. Sie, die Künstlerin, ist kurz davor sich in die Hochzeit mit einem reichen Mann zu stürzen und damit dem Rollenbild der Frau, das ihre reiche, aber verbitterte Tante (Meryl Streep) für so normal hält, entspricht. Vierte im Bunde ist die musikalische Beth (Eliza Scanlen), die ruhigste und unscheinbarste der Schwestern.

Regisseurin Greta Gerwig mit Nebendarstellerin Meryl Streep. Foto: Sony Pictures

Gerwig erzählt den Film nicht chronologisch, sondern springt ständig zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Sobald auf dem Bildschirm etwas erklärungsbedürftig ist, kommt schon eine Szene von früher, die die Lösung vorgibt. Kompliziert wird „Little Women“ durch die Zeitsprünge aber zum Glück nicht. Stattdessen wird man Zeuge, wie sich die Figuren über die sieben Jahre entwickeln, was besonders an Amy deutlich wird. Aus der oft gemeinen Nervensäge wird eine selbstbewusste junge Frau. Pugh ist wie Ronan für einen Oscar nominiert – zurecht.

„Little Women“ ist eine klare Anschau-Empfehlung, ein frühes Highlight des Kinojahres 2020, ein mitreißender, emotionaler Film – nicht nur für Frauen, auch wenn ich bei dieser Preview mit nur einem weiteren Mann allein unter Frauen war. Also: Angucken!

9/10

Little Women

Tragikomödie; USA 2019; 135 Min.; FSK: 0; Regie: Greta Gerwig; Darsteller: Saiorse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh, Eliza Scanlen, Laura Dern, Timothée Chalamet, Tracy Letts, Bob Odenkirk, James Norton, Louis Garrel

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